Das Restaurant | Das Pondji in Neukölln
Kennt Ihr ein brasilianisches Restaurant in Berlin? Genau, ich auch nicht. Wie schön, dass es jetzt einen richtig, richtig guten Laden gibt
Liebe Freunde!
Ozempic ist für mich als Genießer kein Thema. Wer süffeln kann, kann auch früh aufstehen. Oder: Wer schaufeln kann, kann auch seinen Bauchumfang kontrollieren. Das Schöne am Leben ist, dass es weder Schwarz noch Weiß gibt – und auch keine echten shortcuts.
Wie viele Deutsche Ozempic, Wegovy oder andere Semaglutid-Präparate off-label spritzen, ist nicht bekannt. Experten gehen von mehreren Hunderttausend aus. Die Dunkelziffer ist natürlich viel höher.
Schießereien in São Paulo
Laut Presseberichten ist die Situation in Brasilien dramatisch. Täglich werden angeblich Apotheken überfallen. Seltener wegen BtM, häufiger wegen der Abnehmspritze. Manchmal komme es sogar zu Schießereien.1
Der Grund: Der Brasilianer ist – so zumindest das Klischee – ein Strandmensch und körperbetonter als eine blasse Kartoffel.
Nackt sein ist an der Copacabana nicht erlaubt. Brasilien ist ein katholisches Land. Aber das Tragen eines ultraknappen Bikini, den man in Brasilien fio dental (zu Deutsch: Zahnseide)2 nennt, erfordert Disziplin. Und ist objektiv betörender als Doreen und Sandro beim FKK auf Usedom zu beobachten.
Das Land der Zukunft
Der Deutsche kann in puncto Lebensführung vom Brasilianer lernen. Für das große Glück reichen 9000 Kilometer Sandstrände, eine Hauptstadt mit brutalistischer Architektur, unerschöpfliche Bodenschätze, ein paar Aluminiumminen und noch wichtiger: ein gelber Sonnenschirm, von der UV-Strahlung etwas spröde gewordene Plastikmöbel, angefrorene Gläser (190ml) der Sorte Copo Americano, knallkaltes Bier aus der handlichen 1-Liter-Flasche und ab und zu ein Schlückchen Cachaça.
Kriminalität, wirtschaftliche Instabilität und soziale Ungleichheit – mit Gelassenheit ist alles ganz okay. Deswegen ist der Lebensabend von Ronald Schill, Hamburgs ehemaligem „Richter Gnadenlos”, den er mit jüngeren Frauen in einer Favela in Rio de Janeiro genießt, auch gar kein Widerspruch.3
„Brasilien. Ein Land der Zukunft”.4 Stefan Zweigs Buchtitel von 1941 ist heute immer noch so aktuell wie damals. Brasilien. Das ist nicht nur eines der größten Länder der Welt, sondern eine wunderbare Utopie, die am Ende nie wirklich Realität wird.
Das Restaurant
Die Frage ist nur, wie nah kommt man diesem Lebensgefühl, ohne selbst vor Ort zu sein? In einem All-you-can-eat-Rodízio, wo Fleisch von einem Spieß gesäbelt wird, findet man es ziemlich sicher nicht.
Wie gut, dass es seit ein paar Wochen in der Mainzer Straße in Neukölln das Pondji gibt. Eröffnet hat es die Brasilianerin Carolina Paoletti, die seit mehr als 15 Jahren in Berlin lebt und ihre Karriere als Architektin für die Gastronomie aufgegeben hat.
Eine gute Entscheidung. Die Leidenschaft fürs Kochen und die Gastronomie liegt in der Familie. Ihre Großmutter besaß eine Tomatensoßen-Marke. Bevor Carolina ihren Laden eröffnet hat, hat sie einen Supper Club gegründet, ein Catering-Unternehmen5 aufgebaut und sich mit Pop-ups an die Idee eines eigenen Restaurants gewöhnt.
Cool Kids treffen auf entspannte Brasilianer
In ihrem süßen Laden mit Holzfassade herrscht ausgelassene Atmosphäre. Freundliche Cool Kids treffen auf entspannte Brasilianer. Serviert werden die selbst gemachten Pondji, oder Pão de queijo. Das sind kleine, gebackene Bällchen aus Käse und Maniokmehl, die in Brasilien zu jeder Tag- und Nachtzeit gegessen werden.
Es gibt sie als klassische Variante (2,20 Euro, 5 für 10 Euro): süß mit Guaven-Marmelade oder herzhaft mit spicy Tomaten-Chutney, oder Requeijão-Käse. Oder als größere, moderne Variante in Form eines Burger mit geschmortem Pulled Pork, Ananas und Koriander oder mit gedünsteten Zwiebeln, Thymian und Käse (4 bis 6 Euro pro Stück).
Dazu trinkt man sehr guten Caipirinha (10 Euro) oder eiskalte Bierchen aus den typischen Biergläsern. Zwar gibt es kein brasilianisches Bier, sondern eins aus Oberbayern (3,50 Euro). Dafür ist der Kühlschrank wie in Brasilien auf 0 bis 1 Grad eingestellt. Stichwort: Temperaturmanagement.
Der Hit: brasilianischer Bohneneintopf
Neben den schmackhaften (und übrigens glutenfreien) Kugeln gibt es jeden Tag auch ein Mittagsgericht. Samstags: Feijoada Brasileira (18 Euro inkl. Pondji). Ein wunderbarer, dunkler Bohneneintopf mit Schweinefleisch und Würstchen. Dazu gibt es Reis, sautierten Blattkohl und eine Orangenscheibe. Und Farofa, geröstetes Maniokmehl, das dem schweren Gericht einen gut gelaunten Crunch verpasst. Einfach gut!
Am Samstag war ich mit drei Freunden nach dem Tennis im Pondji. Alle haben nach den Pão de queijo die Feijoada bestellt. Und während drei von uns unser Cowboy-Gericht bis zum letzten Reiskorn verputzt haben, hat einer seinen Teller leider nicht aufgegessen.
Herrliche Schweinereien
Seit kurzem spritzt er Ozempic. Zwar habe er zehn Kilo abgenommen, aber setze man das Präparat ab, habe man die verlorenen Kilos schneller wieder drauf, als man gucken kann. Oft komme es zu unangenehmen, schwefelhaltigen Fürzen und Rülpsern. Besonders wenn man sich die Nadel direkt in die Bauchfalte statt in Oberarm oder Bein ramme.
Traurig finde ich die Appetitlosigkeit. Ich würde nicht nur einen Großteil von Carolinas Feijoada verpassen, sondern auch viele andere kulinarische Schweinereien. Und für die allein lohnt es sich doch, auf der Welt zu sein, oder?
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Bon weekend!
Euer Jesko
Fotos: Marcus Glahn, Jesko zu Dohna, Wikimedia Commons.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/sao-paulo-apotheken-ueberfall-abnehmspritzen-brasilien-li.3256035
https://www.fr.de/ratgeber/gesundheit/sonnen-sich-frauen-jetzt-klebeband-bikini-11625369.html
https://www.rtl.de/videos/ronald-schill-lebt-in-einer-favela-5b433b52a2ea503c8c750368.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Brasilien._Ein_Land_der_Zukunft
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