Das Lokal | Eine Tagesbar in Berlin
Nach meiner Winterpause ist „Viel Butter, viel lecker.” zurück. Mit einem italienischen Kleinod in Mitte
Liebe Freunde!
Einen wunderbaren Start ins neue Jahr wünsche ich Euch. Allen Abonnenten, die schon länger dabei sind, genauso wie den vielen, vielen Neuzugängen, die seit Neujahr dazugekommen sind und für die dieser Newsletter die erste Ausgabe ist. Herzlich willkommen!
Ein besonderer Dank gilt natürlich den vielen Abonnenten, die sich in den vergangenen Monaten für ein Paid-Abo entschieden haben.
Meine kleine Winterpause ist zu Ende und gemeinsam möchte ich mit Euch wieder durchstarten: mit den besten Restaurants, Reiseführern, Rezepten und – na klar! – noch mehr robuster kulinarischer Recherche. Ich freu mich auf den Austausch mit Euch!
Seit Montag ist Donald Trump zurück im Weißen Haus. Das kann, aber muss uns nicht beunruhigen. Vieles über den Lebenswandel des neuen und alten Präsidenten der USA ist bekannt. Auch der Diet-Coke-Knopf (siehe Foto) auf Trumps Schreibtisch im Oval Office ist wieder da. Und damit eine edle Routine aus der ersten Amtszeit: Auf Knopfdruck brachte ihm ein US-Marine eine Cola Light auf einem Silbertablett. Insgesamt trinkt Trump bis zu 12 Cola Light am Tag.1
Der Knopf an sich ist nichts Besonderes. Auch andere Präsidenten hatten einen. Barack Obama betätigte die Klingel, um grünen Tee zu bestellen. Während der Biden-Administration wurde der Knopf zunächst entfernt, später tauchte er wieder auf. Ob Biden ihn in einen Häagen-Dazs-Vanilla-Chocolate-Chip-Ice-Cream-Button umgewandelt hat? Das lässt sich leider nicht abschließend klären.
Auch Helmut Kohl hätte sich sicher über einen solchen roten Knopf gefreut. Nur hätte er weder Softdrinks noch Eis bestellt, sondern ein Tellerchen mit einem Würfel kalter Butter. Gegen den Stress.
Angela Merkel liebt Streuselkuchen
Insgesamt geben sich Spitzenpolitiker natürlich volksnäher, als sie es in Wirklichkeit sind. Vor der Bundestagswahl 2013 hörte ich unter der Dusche ein Radiointerview mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Angesprochen auf Ihre Lieblingsdinge, sagte sie, dass sie gerne Streuselkuchen esse und Bruce Springsteen höre. Wie verwegen.
Konservative und rechte Politiker sind beim Thema Essen komischerweise spießiger als Linke. Gerhard Schröder mochte Brioni-Anzüge und – Warum auch nicht? – teure Barolos aus dem Piemont.2 Der König der kulinarischen Unabhängigkeit war François Mitterand. Der französische Präsident und Sozialist aß nicht nur Austern und Stopfleber, sondern auch gebratene Singvögel für sein Leben gern.3
Big Mac zum Abendessen
Die Vorlieben des US-Präsidenten sind weniger mittelalterlich und schmackhaft, dafür umso ungesünder. Trump lässt morgens das Frühstück gerne ausfallen (Stichwort 16:8). Mittags gibt es ein Steak so durchgebraten und grau, dass es wieder Sinn macht, es mit reichlich Ketchup als Schmiermittel zu essen. Sicherheit geht eben vor, wie das Beispiel des ehemaligen Besitzers des Hotels Atlantic in Hamburg zeigt. 2010 erstickte der an einem Filetsteak aus der eigenen Hotelküche.4
Zwischendurch isst Trump gerne Doritos (Sorte: Nacho Cheese). Abends gibt es dann zwei Big Macs und zwei Filet-o-fish von McDonald’s und einen Schoko-Milchshake. Auf Flugreisen gibt es auch mal einen Eimer Chicken Wings von KFC.
Wer jetzt denkt, Donald Trump ist damit eine Ausnahme, wirft einen Blick auf die kulinarischen Gebräuche anderer Präsidenten. Joe Biden ernährt sich nicht besser. Statt Cola Light ist sein Lieblingsgetränk Gatorade Orange vom Konkurrenten PepsiCo. Bill Clinton aß im Amt gerne mittags eine ganze Salamipizza und abends Enchiladas. Getränk der Wahl: Eistee. Und als Snack: Coca-Cola Jello Salad.5
Bei George W. Bush gab es regelmäßig Cheeseburger-Pizza, BLT Sandwich, Kartoffelchips und auch gerne Cola Light. Und der kürzlich verstorbene Jimmy Carter ernährte sich fast ausschließlich von Fried Chicken mit Kartoffelsalat und Buttermilch. Einzig die etwas langweilige Diät von Barack Obama erinnert in Zügen an zeitgemäße Ernährungsphysiologie.6
Das Haber-Bosch-Verfahren macht’s möglich
Doch was hat das alles mit uns zu tun? Nun, eine ganze Menge. Denn die Grundlagen dieser modernen Ernährung sind eine deutsche Erfindung und das zivile Erbe zweier brutaler Weltkriege. Denn dank des Haber-Bosch-Verfahrens7 ließ sich aus dem durch Synthese gewonnenen Ammoniak und Ammoniumnitrat in denselben Fabriken erst Granaten und Bomben und nach dem Krieg Kunstdünger für die intensive Landwirtschaft herstellen.
Und Fritz Habers Anstrengungen, kriegswichtige Giftgase wie Chlorgas für das Kaiserreich im Ersten Weltkrieg zu produzieren und deren Einsatz an der Front persönlich zu überwachen, waren der Startschuss für die Entwicklung unserer modernen Pflanzenschutzmittel.8 Habers Erfindungen machten somit die Lebensmittelindustrie, Pfanni Kartoffelpüree und die Bevölkerungsexplosion auf unserem Planeten überhaupt erst möglich.
Und wie alle großen Erfindungen in der Geschichte der Menschheit sind auch die Leistungen des späteren Nobelpreisträgers (1920) Fluch und Segen zugleich. Wobei die Segnungen dabei auch wieder Fluch sein können und umgekehrt. Schließlich leben auf der Erde heute deutlich mehr Menschen, die an Fettleibigkeit leiden, als an Unterernährung.9
Trump ist sehr beliebt
Donald Trump ist bei der Belegschaft im Weißen Haus übrigens äußerst beliebt. Angeblich konnten die meisten Angestellten im Haushalt und Garten in diesen Tagen kaum erwarten, dass der alte Herr des Hauses wieder einzieht. Der Grund: Anders als seine Vorgänger hat Donald Trump immer ein dickes Bündel mit Bargeld dabei. Bei guter Arbeit steckt er den Angestellten gerne 50-Dollar-Scheine zu.10
Das Lokal
Aber nicht nur in den USA ernährt man sich schlecht. Auch in Europa gehören Fast Food, ultra-processed Lebensmittel, Systemgastronomie, Separatorenfleisch und leere Kalorien inzwischen zum Alltag. In Spanien war das Essen schon immer so. Und nirgendwo in Europa gibt es pro Kopf mehr McDonalds-Restaurants als in Frankreich.11 Nur die Italiener (und vereinzelt die Österreicher) stemmen sich teilweise noch gegen neue Food-Trends, während die meisten anderen westlichen Länder in der Masse zu einem großen generischen Einheitsbrei verschmelzen.
Und so boykottiert der Italiener Starbucks12 und trinkt seinen Espresso wie eh und je in der Bar, für einen Euro an der Bar, statt für 2,90 Euro bei The Barn in Berlin-Mitte. Und diese italienischen Lokale in Mailand, Bologna oder Rom mit ihren süßen Backwaren und ordentlich angezogenen Menschen sind für mich eine der göttlichsten urbanen Errungenschaften der Alten Welt. Höchste Zeit also, dass in Berlin endlich eine solche eröffnet.
Das Pinci in der Großen Hamburger Straße Ecke Auguststraße (neben dem eigenwilligen Kiezmarkt) hat erst vergangene Woche eröffnet und ist so ein gemütliches italienisches Kleinod für Kaffee, kleine Schweinereien und den obligatorischen Aperitivo. Eröffnet hat es Manuel Pinciroli, Deutsch-Italiener und Neffe eines Lambrusco-Winzers. Der italienische Gründerzeitcharme ist in Berlin-Mitte natürlich nicht möglich, dafür ist das Pinci aber angenehm modern, ohne pedantisch durchdesignt zu sein. Die Mitarbeiter an der Bar sind freundlich und die kleinen Snacks sind gut.
Kleine Schweinereien
Es gibt Frittata mit altem Balsamico (9 Euro), eine Art dünnes Omelett aus der Pfanne, das obligatorische Schinken-Käse-Toast mit hauchdünnem Prosciutto Cotto, Provolone, südtiroler Bergkäse und gutem Brot aus dem Sandwichmaker (7 Euro), eine luftige Focaccia mit Ricotta und Birne (12 Euro) und natürlich Büffelmozzarella mit Parmaschinken (16 Euro).
Besonders gut und auch als Mittagessen zu empfehlen ist der Cavolo Nero (12 Euro, zu deutsch Palmkohl, oder Schwarzkohl). Als Salat mit Senf, Anchovis, Olivenöl, gerösteten Mandeln und viel geriebenem Parmesan. Knackige Puntarelle mit Alici (12 Euro) gab es in den ersten Tagen auch.
Absolutes Muss ist der Caffè Zabaione (5,50 Euro). Ein doppelter Espresso mit einer Schicht dicker, süßer Weinschaumcreme mit viel sizilianischem Marsala. Das Pinci hat von 11 bis 23 Uhr geöffnet. Bald soll es schon um 8 Uhr losgehen. Dann kann man auf dem Weg zur Arbeit reinrassig italienisch frühstücken. Mit Cornetto marmellata und einem Espresso (al Banco, 1,50 Euro).
Abends gibt’s Aperitivo und Pasta
Das Ecklokal mit seiner langen Bar, den kleinen Tischen und der schönen Aussicht auf die Auguststraße eignet sich nicht nur für Frühstück und Lunch, sondern auch für ein Bierchen oder ein paar Drinks nach Feierabend. Um die kleinen Zwänge und Belastungen der Arbeitsstelle abzuschütteln gibt es unter anderem Bellini (11 Euro), einen Garibaldi (9 Euro) oder robusten Negroni (12 Euro).
Abends wird auch Pasta serviert. Diese Woche: Pesto alla Genovese oder Amatriciana. Bald soll es dann auch mittags eine einfache Tagespasta geben.
Mein Urteil: Nach der Pleite und Schließung des Einstein Stammhaus’ in der Kurfürstenstraße ist das Pinci mindestens ein Schweif Hoffnung am sonst manchmal eintönigem gastronomischen Himmel der Hauptstadt.
Residual Heat
Ich möchte in Zukunft ein erstes Event in Berlin anbieten. Beispielsweise ein kleines Dinner-Event mit ausgewähltem Menü und den besten Weinen. Eure Meinung würde mich interessieren:
Ich freue mich wie immer über ehrliches Feedback. Was kann ich besser machen, was fehlt Euch und was wünscht Ihr Euch? Schreibt mir jederzeit: jesko@vielbutter.de
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So, das war die erste Ausgabe von im neuen Jahr. Ab heute geht es im gewohnten Turnus weiter. Bis die Tage!
Liebe Grüße,
Euer Jesko
Fotos: Marcus Glahn, Jesko zu Dohna, Wikimedia Commons, Youtube.
https://www.wsj.com/politics/policy/inside-trumps-oval-officeversion-2-0-9b1da2c8
https://www.zeit.de/leben/geniessen/randow_031231
https://www.welt.de/print-welt/article633221/Ammern-in-Armagnac-Schmaus-oder-Graus.html
https://www.stern.de/panorama/tragoedie-in-hamburger-luxushotel--atlantic--chef-erstickt-an-essen-aus-hotelkueche-3100410.html
https://en.wikipedia.org/wiki/Jello_salad
https://www.businessinsider.com/followed-diet-every-living-president-ranking-best-worst#trump-picks-some-tasty-foods-but-his-eating-habits-were-tough-for-me-to-follow-1
https://de.wikipedia.org/wiki/Haber-Bosch-Verfahren
Michael Pollan: Omnivore’s Dilemma, 2006, S. 41ff.
https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(23)02750-2/fulltext
https://www.the-sun.com/news/13319795/white-house-move-in-inauguration-day-residence-trump/
https://www.handelsblatt.com/politik/international/frankreich-die-heimliche-fast-food-nation-europas/29325374.html
https://www.forbes.com/sites/jennawang/2018/09/13/why-it-took-starbucks-47-years-to-open-a-store-in-italy/
Lieber Jesko,
ein GROßARTIGER Start-Newsletter!! Diese messerscharfen Beobachtungen, vor allem zur Kaffekultur, sind Balsam in meinen Ohren (und eine Augenweide beim Lesen) für mich als 50% Itaka. In freudiger Erwartung auf alle weiteren Tipps und Tricks für 2025.